Samstag, 19. Oktober 2013

Mumbai und Bombay

Mumbai verhällt sich zu Bombay wie Dr Jekyll zu Mr. Hyde. Es ist irgendwie eins, und hat dabei doch zwei Gesichter. Die wunderschönen bunten Saris der Frauen, die exotischen Gewürze die man hier manchmal riecht, die Füße beim Marine Drive baumeln zu lassen, die gigantische Skyline, die im Nebel langsam auftaucht, die unzähligen Häuser und Villen aus der Kolonialzeit zwischen Palmen... Mumbai kann seinen ganz eigenen Charme haben und auf einmal ist es hier super aufregend und man ist in der Mitte des Großstadtlebens.

Und manchmal hat man auch des Gefühl man erstickt hier an Mumbai. Ich halte zwischendurch einfach so lange wie ich kann die Luft an wenn wir an Müllbergen vorbeikommen, dann die unzähligen Kühe, Ziegen, Hühner, Tauben, Krähen, Greifvögel, dieser Horror von Verkehr und das ständige Gehupe und die Abgase und die Bettler, dass einen sofort der Fluchtinstinkt packt. Genauso verläuft das auch eigentlich mit den Indern. Manchmal sind die super nett und hilfsbereit und manchmal kriegt man so eine Wut, dass man sich richtig beherrschen muss.

Gestern habe ich netterweise erstmal eine AIESECerin der ersten Kategorie kennen gelernt, die mich zu meinem Arbeitsplatz begleitet hat. Aishwaya holt mich zwar ca eine Stunde zu spät ab (wer hätte auch ernsthaft mit 9 Uhr gerechnet...come ooon....) entschuldigt sich dann 100 mal obwohl ich sage, dass es kein Problem ist und die bei der Arbeit wahrscheinlich eh nicht damit rechnen, dass ich passend komme heute. Wir nehmen ein Taxi zu meiner Arbeitsstelle in Südmumbai und gurken los, für über 1 1/2 Stunden... Dabei fragen wir uns gegenseitig aus, über unsere Kultur und natürlich die Themen, die junge Frauen in dem Alter vielleicht besonders spannend finden. Müssen Inderinnen wirklich arrangierte Ehen eingehen? Ziehen Europäer wirklich bei ihren Eltern aus ab einem bestimmten Alter? Fasziniert schnattern wir die ganze Fahr über und ich lerne, dass Heiraten in Indien ziemlich kompliziert ist. Da suchen die Eltern einem einen Mann aus, der nicht nur die gleiche Religion haben soll, also Hinduist, der muss ja auch in der richtigen Kaste sein, da unterscheiden sich aber auch nochmal Südinder von Nordinern in ihren Kasten, außerdem muss das Alter, der Berufsstand, der "Hintergrund der Eltern" des Mannes genauso passen wie sein Aussehen und Zukunftspläne. In den aufgeschlosseneren Familien lassen die Eltern aber ihren Kindern so viel Zeit, is die sich selbst bereit zum heiraten fühlen und sich vertrauensvoll an die Partneragentur Mutti&co wenden. (Das würd dir gefallen Mami...) 

Ich bin mega geschockt als ich sehe wie lange wir dann doch fahren. Und noch geschockter als wir in dem hübschen Nobelbezirk in Südmumbai in das Büro gehen und ich den Assistenten meines Chefs kennen lerne, der sich selbst Direktor nennt. Von wegen viele Leute aus vielen Nationen arbeiten hier alle zusammen. Hier arbeite ich. Die einzigen beiden Mitarbeiter sind mein Chef und sein Direktor, wobei ersterer im Moment in Deutschland auf Geschäftsreise ist (weiß der Geier was er da macht). Eine Bedienstete wuselt die ganze Zeit um uns herum, putzt und schleppt Kaffe und Wasser auf Befehl an. Ich hocke in der großen Wohnung, denn so sieht das Büro irgendwie aus, und starre die Tauben an, die durchs Fenster reinfliegen und sich auf dem Schrank heimlich ein Nest bauen wollen und denke, das ist jetzt alles ein Scherz.

Besonders als ich dann erfahre, was meine eigentliche Aufgabe sein soll: deutsche Firmen anrufen und die dazu bringen ihre vom Staat vorgegebenen soundsoviel Prozent Gewinn in soziale Projekte zu investieren und zwar bei den Projekten die iWatch anbietet. Dafür wird mir eine indische Version der Gelben Seiten vorgelegt, die alle hier ansässigen deutschen Firmen auflisten. Und die soll ich dann "richtig überzeugen".... Die zweite Aufgabe macht es dann nicht wirklich besser. Nebenbei noch Firmen recherchieren und da alle wichtigen Details in eine Exceltabelle einfügen. Ich frage total perplex nach anderen Praktikanten und den Schulen zu denen wir doch gehen wollten. Das würde es dann im November geben mit den Schulen. Das wären dann vielleicht so 10, wird mir erklärt. Am Ende werde ich ganz nett bei der Familie meines Chefs zum Essen eingeladen, die wirklich sehr sehr nett sind. Das Thema wie ich halbwegs günstig zur Arbeit komme und zurück wird lange besprochen, allerdings ohne wirklich zufriedenstellendes Ergebnis.

Ich verabschiede mich nett und sitze wieder im Taxi. Gott sei Dank musste ich noch nicht mit der Arbeit anfangen, da es im "Büro" Probleme mit den Leitungen gibt und weder der PC noch die Klimaanlage funktonieren. Ich mache mir lange, lange Gedanken und quatsche mit allerhand Leuten über meine Erfahrung auf der Arbeit um mir dann zu gestehen dass über 3 Stunden jeden Tag kostpieliges Hin und Hergurken für einen Job, den ich so nicht mal gegen Bezahlung machen will, zudem auch noch mutterseelenallein mit zwei zwei 50 Jahre alten Indern als deutsches Callcenter es nicht wert sind. Auch nicht wenn die Leute unglaublich nett und hilfsbereit sind. Nicht 7 Stunden, 5 Tage die Woche und auch nicht, weil mir so ganz nebenbei auffällt, dass natürlich ein Teil der Kohle an die beiden Herren fällt durch die Arbeit die ich da leisten würde.

Mit schlechtem Gewissen, aber trotzdem sehr bewusst dass es die einzige richtige Lösung ist, habe ich gerade den Job abgelehnt, noch bevor ich ihn wirklich angefangen habe. Jetzt werde ich mich nach Schulen in der Umgebung umgucken, die vielleicht gern ein bisschen Unterstützung in ihrem Englisch Unterricht hätten.

Nachdem gestern so ein bescheuerter Tag war und sich Mumbai ganz als Mr Hyde gezeigt hat, sind Patrick und ich heut nach Südmumbai gegurkt (mit dem Zug, aaaahhhh...) und haben uns ein paar schöne Sachen da angeguckt. Also nach meinem Monolog hier ein paar Fotos :-)

1 Kommentar:

  1. Hey, tut mir leid zu sehen dass jetzt auch bei dir die Stelle in Indien nicht wirklich den Erwartungen entspricht... Aber super, dass du da direkt die Konsequenzen gezogen hast und dir jetzt selber was passendes suchst. Hab ich nicht anders erwartet :) Schön zu lesen was ihr so treibt, in nem so ganz anderen Land als ich gerade bin ;)

    AntwortenLöschen